Dorothea Mertmann im Gespräch mit Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg über Future Leadership, Menschlichkeit und die Rolle der Internen Revision in einer komplexen Welt.
Was bedeutet es heute, Verantwortung zu übernehmen – in Unternehmen, in Führung und im Umgang mit Technologie? Wie bleiben wir als Menschen wirksam, wenn Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und ESG-Themen die Spielregeln neu schreiben? Und welche Haltung braucht es, um im Wandel nicht nur zu bestehen, sondern ihn mitzugestalten? Diese Fragen bewegen nicht nur Führungskräfte weltweit – sie berühren auch die Arbeit von Revisor:innen, die mehr denn je gefordert sind, nicht nur Risiken zu prüfen, sondern Orientierung zu geben. Die klassische Rolle der Internen Revision wandelt sich: von der regelbasierten Prüfinstanz zur kritischen Sparringspartnerin für ethische, technologische und strategische Fragen.
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg wird als Keynote-Speakerin den diesjährigen DIIR-Kongress 2025 mitgestalten. Im Vorfeld sprach Dorothea Mertmann, Geschäftsleitung des Deutschen Instituts für Interne Revision (DIIR), mit ihr über Zukunftskompetenzen, nachhaltige Digitalisierung und die Rolle von Führungskräften in einer komplexen, technisierten Welt. Herausgekommen ist ein Gespräch über Werte, Wandel und den Mut zur Menschlichkeit.
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg ist eine der profiliertesten Stimmen, wenn es um zukunftsfähige Führung, nachhaltige Transformation und Digitalisierung mit Haltung geht. Die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin, Unternehmerin und Autorin gilt als Brückenbauerin zwischen Technologie, Menschlichkeit und gesellschaftlichem Wandel. In ihren Vorträgen, Veröffentlichungen und ihrer praktischen Arbeit setzt sie sich leidenschaftlich für Zukunftskompetenzen ein – immer mit einem klaren Ziel: eine lebenswerte, gerechte und verantwortungsbewusste Zukunft.
Frau Prof. Dr. Ternès, Sie gelten als Vordenkerin für Zukunftskompetenzen und nachhaltige Digitalisierung. Was treibt Sie persönlich an, sich so intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen?
Ich habe früh gelernt, dass Veränderung nicht nur möglich, sondern notwendig ist – und dass sie mit uns selbst beginnt. Als Siebenjährige habe ich mich über den Plastikmüll am Strand von Norddeich Mole so geärgert, dass ich eine eigene Umweltinitiative gründete. Seitdem treibt mich der Wunsch an, die Welt ein Stück lebenswerter und gerechter zu machen – mit den Mitteln der Zeit: heute sind das Zukunftskompetenzen, Digitalisierung, Nachhaltigkeit. Mein eigener Weg – geprägt von Migrationshintergrund, persönlichem Aufbruch und der Überwindung familiärer Grenzen – hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Menschen zu stärken. Ich will, dass Technologie den Menschen dient – nicht umgekehrt. Dafür arbeite ich – als Wissenschaftlerin, Unternehmerin, Mutter und Mitgestalterin gesellschaftlicher Transformation.
Was bedeutet für Sie persönlich „Future Leadership“?
Future Leadership bedeutet für mich: mit Haltung führen – nicht mit Hierarchie. Es geht darum, Führung neu zu denken: vernetzt, wertebasiert, partizipativ. Eine Führungskraft der Zukunft ist nicht die, die alle Antworten kennt, sondern die, die die richtigen Fragen stellt und Räume schafft, in denen andere wachsen können. Dazu gehören Mut, Demut und ein tiefes Verantwortungsgefühl für Mensch und Umwelt. Future Leadership verlangt eine neue Balance – zwischen technologischem Verständnis, emotionaler Intelligenz und Sinnorientierung
Was war für Sie persönlich der größte Aha-Moment in Bezug auf Führung im digitalen Zeitalter?
Ein Moment, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war ein Leadership-Workshop mit Führungskräften eines Tech-Konzerns. Einer der Teilnehmer sagte: „Ich weiß, wie man Milliarden verarbeitet – aber ich weiß nicht, wie ich mit dem Rückzug meines Teams während Corona umgehen soll.“ Da wurde mir klar: Digitale Tools sind nur so stark wie unsere Fähigkeit, sie menschlich zu nutzen. Der digitale Wandel ist kein rein technisches Projekt – er ist ein kulturelles. Und Kultur beginnt bei uns selbst – mit Empathie, Achtsamkeit und echter Kommunikation.
Welche Kompetenzen müssen Führungskräfte in der Internen Revision künftig mitbringen, um in einer zunehmend komplexen Welt wirksam zu bleiben?
In der Internen Revision wird es künftig nicht mehr ausreichen, Regelwerke zu kennen und Risiken zu bewerten. Führungskräfte müssen lernen, mit Unsicherheit umzugehen – also mit Szenarien, die nicht vorhersehbar sind. Dazu gehören Systemdenken, ethisches Urteilsvermögen, digitale Souveränität und ein tiefes Verständnis für Nachhaltigkeit und Transformation. Ebenso wichtig: Kommunikationsfähigkeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit und der Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Revision war schon immer das Rückgrat einer verantwortungsvollen Organisation – in Zukunft wird sie auch ihr moralischer Kompass sein müssen.
Wie verändert Künstliche Intelligenz aktuell die Anforderungen an Führungskräfte?
Künstliche Intelligenz nimmt Führungskräften viele Routinen ab – aber sie stellt neue Fragen: Was bedeutet Verantwortung, wenn Entscheidungen durch Algorithmen unterstützt werden? Wie stelle ich Transparenz sicher, wenn Prozesse nicht mehr vollständig nachvollziehbar sind? KI fordert nicht nur digitale Kompetenzen, sondern vor allem ethische Klarheit. Sie verändert die Führungsrolle vom Entscheider zum Möglichmacher – jemand, der Räume schafft, in denen Mensch und Maschine gemeinsam intelligenter werden können. Das verlangt mehr Menschlichkeit, nicht weniger.
Wie lassen sich Menschlichkeit und Technologie in der Führung sinnvoll verbinden – gerade in Zeiten von KI?
Indem wir Technologie als Werkzeug verstehen – nicht als Weltanschauung. Führung bedeutet, Menschen zu befähigen, mit Technologie so umzugehen, dass sie sich selbst treu bleiben können. Das beginnt bei einer Kultur des Zuhörens, der Reflexion und der psychologischen Sicherheit. KI kann Daten analysieren, aber keine Werte schaffen. Das ist unsere Aufgabe als Menschen. Menschlichkeit bedeutet in diesem Kontext auch, Grenzen zu ziehen: Wo schützt uns Technologie – und wo braucht es menschliches Urteilsvermögen, um ihr Einhalt zu gebieten? Es geht nicht um Mensch oder Maschine – sondern um das richtige Zusammenspiel..
Welchen persönlichen Ratschlag würden Sie einer Revisor:in oder einer Revisionsleitung geben, die sich auf die Themen Future Leadership, Digitalisierung, ESG und KI vorbereiten möchten?
Bleiben Sie neugierig – und offen. Lernen Sie, über Systemgrenzen hinweg zu denken. Machen Sie sich vertraut mit neuen Technologien – aber verlieren Sie nie Ihr Gespür für Menschen. Bauen Sie Netzwerke, interdisziplinäre Allianzen und Mentoring-Beziehungen auf. Holen Sie sich Impulse aus der Praxis: Ob in Seminaren, auf Konferenzen, über Fachartikel, Bücher oder LinkedIn – es gibt viele Wege, sich zu vernetzen und weiterzuentwickeln. Und vor allem: Zeigen Sie Haltung. Die Zukunft braucht Menschen, die nicht nur mitdenken – sondern vorangehen.
Herzlichen Dank, Frau Prof. Dr. Ternès, für das persönliche Gespräch und die inspirierenden Impulse. Wir freuen uns sehr darauf, Sie beim DIIR-Kongress 2025 live als Keynote-Speakerin zu erleben.
Mehr Informationen zum Programm, der Anmeldemöglichkeit und dem Veranstaltungsort des diesjährigen Kongresses erhalten Sie hier: